Konjunkturmotor der Weltwirtschaft läuft bei hohen Risiken noch nicht rund

Nach Aussage führender Volkswirte (u. a. IWF, IfW, ifo) wird sich die Expansion der Weltwirtschaft in moderatem Tempo fortsetzen, wobei sich der Privatkonsum gestützt auf höhere Reallöhne vor allem in Europa beleben dürfte. Zudem bleibt die Arbeitslosigkeit in den Industrieländern auf niedrigem Niveau. Es zeichnet sich aber ab, dass die Inflation nur sehr langsam in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels der Notenbanken zurückgehen wird, was dazu führt, dass die Geldpolitik langsamer und weniger stark gelockert wird als ursprünglich erwartet. Risiken für die Weltwirtschaft resultieren zudem aus den geopolitischen Krisen, etwa in der Ukraine und Russland sowie im Nahen Osten, aber auch aus den Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl sowie den Verschiebungen der politischen Balance und Ausrichtung in Europa nach den jüngsten Wahlergebnissen. Eine weitere Fragmentierung der Weltwirtschaft mit einer Zuspitzung von Handelskonflikten würde die globale Konjunktur belasten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine vorsichtige Einschätzung im Juli 2024 bestätigt. Demnach wird die Weltwirtschaft auch 2024 mit einem Plus von 3,2 % nur moderat zulegen (vorherige Prognose im April 2024: +3,2 %). Die Schwellen- und Entwicklungsländer sollen dabei durchschnittlich um 4,3 % wachsen und die Industrieländer um 1,7 %. Zu Letzteren zählen unter anderem die USA mit einem Wachstum von 2,6 %. In Großbritannien (+0,7 %) und dem Euroraum (+0,9 %) bleibt die Erholung zaghaft.

Deutsche Wirtschaft soll allmählich wieder Tritt fassen

Für das 2. Halbjahr 2024 deutet sich nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank eine leichte Belebung der Konjunktur an. So signalisieren diverse Frühindikatoren eine aufgehellte Stimmungslage bei Verbrauchern und Unternehmen. Aufgrund des kräftigen Lohnwachstums verharrt die Inflation vorerst auf einem erhöhten Niveau. Obwohl die Kernrate sukzessive abschmilzt, schreitet der Disinflationsprozess langsamer voran als erwartet. Die Auslandsnachfrage und zunehmend auch der Privatkonsum dürften die Stützen der moderaten Konjunkturerholung bilden. Die private Investitionstätigkeit wird dagegen laut der Deutschen Bundesbank zunächst weiter sinken und sich erst 2026 spürbar beleben. Somit wird erwartet, dass sich die deutsche Wirtschaft nur langsam aus ihrer zweijährigen Schwächephase lösen kann. Einhellig stellen die Prognosen der Volkswirte für 2024 nur auf ein Minimalwachstum ab. So rechnen die Deutsche Bundesbank und der IWF lediglich mit einem Plus von 0,2 % in Deutschland. Das ifo Institut avisiert in seiner Sommerprognose ebenfalls nur einen leichten Anstieg um 0,4 %.

Prognosen für das BIP-Wachstum (real)


T014

2023 2

2024e

2025e

+3,2

+3,2

+3,3

+2,5

+2,6

+1,9

+5,2

+5,0

+4,5

+0,4

+0,9

+1,5

-0,2

+0,2

+1,3

1_IWF WEO Update Juli 2024; 2_Zum Teil revidierte Daten; 3_USDC/BEA für 2023; 4_National Bureau of Statistics (NBS) für 2023; 5_Eurostat / EZB für 2023; 6_Destatis  Daten mit Stand vom 16. Juli 2024.

Maschinen- und Anlagenbau fehlen noch neue zyklische Impulse

Da die Belebung der Investitionstätigkeit voraussichtlich mit zeitlichem Nachlauf zur allgemeinen Konjunkturbelebung erfolgen wird, bleibt der Maschinenbau zunächst in schwierigem Fahrwasser. Der deutsche Branchenverband VDMA erwartet, dass der reale Weltmaschinenumsatz 2024 stagnieren wird, wobei die westlichen Industrieländer zusätzliche Einbußen hinnehmen dürften. So wird unter anderem für den Euroraum mit einem Rückgang um 3 % und in den USA mit einem Minus in Höhe von 1 % gerechnet. Die industriellen Kapazitäten sind vielfach sehr niedrig ausgelastet und die Zinssenkungen noch zögerlich, um die Nachfrage nach Investitionsgütern merklich anzutreiben. Zudem dämpfen die politischen Unsicherheiten und kriegerischen Konflikte die Investitionsneigung. Zwar rücken mit den Investitionen in eine emissionsfreie Wirtschaft zunehmend mehr strukturell unverzichtbare Maßnahmen in den Fokus – denn ganze Wertschöpfungsketten müssen neu ausgerichtet und gestaltet werden. Jedoch werden sich diese dynamischen Impulse daraus erst mittelfristig spürbar entfalten. Daher ist der Auftragseingang im deutschen Maschinen- und Anlagenbau zuletzt weiter zurückgefallen. Bis Juni 2024 lag er um real 12 % unter dem bereits schwachen Niveau des Vorjahreszeitraums. Dabei sanken die Bestellungen aus dem Inland um 18 %. Das Bestellvolumen aus dem Ausland war um rund 9 % geringer. Aufgrund der Auftragsschwäche prognostiziert der VDMA, dass die Produktion der Branche in Deutschland 2024 um real 4 % schrumpfen wird. Eine Belebung der Investitionen und damit der Maschinennachfrage wird erst für 2025 erwartet.

Weltweite Entwicklung der Industrieproduktion / Entwicklung Maschinenbau Deutschland

T015

2023 1

Q1 2024

Q2 2024

+0,9

+1,2

5M: +1,6

+0,2

-2,1

+4,3

+4,6

+6,1

6M: +6,0

-2,2

-4,6

Apr.: -3,1

Mai: -2,9

-2,8

-4,4

H1e: -3,3

-0,9

-6,7

Apr.: -7,0

Mai: -13,3

-12,0

-13,0

6M: -12,0

1_Zum Teil revidierte Daten.

2_CPB Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis.

3_Fed.

4_National Bureau of Statistics (NBS).

5_Eurostat / EZB.

6_ ifo.

7_Deutsche Bundesbank/Destatis.

8_VDMA.

Weitere Erholung der Automobilindustrie erst 2025 erwartet, Handelskonflikte im Bereich der Elektromobilität könnten ausufern

Im Zuge der Dekarbonisierung von Wirtschaft, Wohnen und Verkehr ist die Transformation des Automobilsektors hin zu fossilfreien Antrieben unumkehrbar. Von großer Bedeutung ist dabei die Verfügbarkeit von batterieelektrischen Fahrzeugen. China wächst hier zunehmend in die marktführende Position und tritt aktiv in andere Märkte ein. Als Reaktion darauf haben die USA und die EU Sondereinfuhrzölle auf E-Fahrzeuge aus China erhoben. Entsprechende Gegenmaßnahmen der chinesischen Regierung sind in Planung. Inwiefern die genannten Handelskonflikte ausufern und die Märkte möglicherweise substanziell belasten könnten, ist derzeit schwer einzuschätzen. Aktuell geht Global Data (GD, vormals LMC Automotive) davon aus, dass die weltweite Produktion von LV (Light Vehicles) im Jahr 2024 knapp 91,1 Mio. Einheiten (+0,3 %) erreichen wird. Für 2025 wird aktuell ein Plus von 3,0 % prognostiziert. Demnach verbuchen die Hersteller 2024 Zuwächse in Nordamerika, in Europa soll das Produktionsvolumen hingegen zurückgehen. Im Jahr 2025 sollen sich diese regionalen Trends umkehren. Strukturell dürfte die Produktion von LV mit reinem Verbrennungsmotor 2024 weltweit um 7,9 % abnehmen und die Zahl der batterieelektrischen LV (BEV + PHEV) um 22,2 % auf 17,5 Mio. Einheiten steigen. Der Markt für Nutzfahrzeuge (NFZ) dürfte 2024 konjunkturbedingt unter Druck bleiben. Laut GD fällt die NFZ-Weltproduktion mit deutlichen Einbußen in Europa und Nordamerika um insgesamt um 1,5 % zurück (Lkw -2,5 %, Busse +10,7 %), wobei für 2025 ein Plus in der Lkw-Produktion und weitere Zuwächse bei Bussen antizipiert werden.

Automobilindustrie: globale Produktions- und Absatzentwicklung

T016

2023 1

2024e

2025e

+10,3

+0,3

+3,0

+2,4

-7,9

-6,6

+58,4

+20,4

+18,3

+29,5

+22,8

+28,8

+10,1

+2,5

+3,7

+13,0

-1,5

+5,5

+16,2

-0,3

+5,8

Quelle: GlobalData; 1_Revidierte Daten laut GlobalData.

Bauindustrie in China und Europa bleibt 2024 im Abwärtssog

Für die Baukonjunktur in China zeichnet sich noch keine Trendwende ab, obwohl die Regierung mit diversen Maßnahmen versucht, den Immobiliensektor zu stützen. Dennoch ist selbst eine Stabilisierung im weiteren Jahresverlauf sehr unwahrscheinlich, denn die Eckdaten der Statistikamts NBS signalisieren eine Fortsetzung der Rezession im Gebäudebau – und zwar vor allem im Wohnungsbau. Während das reale Volumen aller gegenwärtig im Bau befindlichen Gebäudeinvestitionen mittlerweile schon zweistellig schrumpft (6M: -12,0 %), fallen die Neubaubeginne in etwa doppelt so stark (6M: -23,7 %). Die Verkäufe von Neubauten sinken ebenfalls  erheblich (6M: -19,0 %). Dabei ist der Einbruch im Wohnungsbau deutlich stärker als im Bau von kommerziellen Gebäuden. Angesichts der allgemeinen Konjunkturschwäche, der hohen Zinsen und Baukosten sowie gestiegener Staatsdefizite bleiben die Perspektiven für die Bauwirtschaft in Europa für 2024 deutlich negativ. Allerdings hellen sich die Aussichten für 2025 in den meisten Ländern mit Ausnahme von Deutschland und Frankreich auf. Für 2024 prognostiziert das Branchennetzwerk Euroconstruct (u. a. ifo) für Europa zunächst noch einen beschleunigten Rückgang der realen Bauleistung um 2,7 % (West -3,0 %, Ost +1,2 %). Vor allem in Skandinavien

und Italien, aber auch in Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Ungarn dürfte der Abschwung 2024 kräftig ausfallen. Dadurch wird das leichte Wachstum in Spanien, Portugal und der Schweiz überlagert, zumal auch Deutschlands Bauwirtschaft 2024 mit einem deutlichen Minus von 3,0 % in der Rezession bleibt. Laut dem ifo Institut leidet mehr als jedes zweite Bauunternehmen in Deutschland unter Auftragsmangel, schwerpunktmäßig im Wohnungsbau. Der Verband HDB erwartet daher nach bereits drei schwachen Jahren für 2024 einen weiteren Rückgang des Umsatzes im Baugewerbe um real 4,0 %.

US-Bauwirtschaft setzt Aufschwung fort, Investitionen in die Wasserwirtschaft boomen

Die Branchenexperten von FMI rechnen 2024 für die USA ganzjährig mit einer Fortsetzung der jüngsten Trends. So sollen fast alle Bausegmente trotz der noch hohen Zinsen und der sich abflachenden Dynamik der US-Wirtschaft wachsen. Ausnahmen dürften lediglich der Bau von Wirtschaftsgebäuden (-7 %) und von Mehrfamilienhäusern (-1 %) sein. Nach dem starken Einbruch im Vorjahr erholt sich der Neubau von Einfamilienhäusern 2024 laut der FMI-Prognose kräftig (+7 %). Für den Umbau, Ersatz und für Erweiterungen von Wohnungen wird ein Plus von 4 % antizipiert. In Summe dürfte der US-Wohnungsbau damit 2024 um 4 % zulegen. Das ist besser als am Jahresbeginn erwartet. Zudem befinden sich der Bau von sonstigen Gebäuden (+6 %) und der Infrastrukturbau (+6 %) weiter im Aufschwung.

Markteinschätzungen zufolge soll sich der Boom bei den Bauinvestitionen in die Wasserwirtschaft fortsetzen. Dabei bleibt der Wasserversorgungssektor einer der Wachstumsbereiche im Jahr 2024. Er soll im laufenden Geschäftsjahr um insgesamt 8 % wachsen. Dies wird durch Investitionen in die Infrastruktur unterstützt, die in den kommenden Jahren fortgesetzt werden sollen.

Bauindustrie: Entwicklung der europäischen Bauproduktion

T017

2023 1

2024e

2025e

-1,5

-3,0

+1,2

0,0

+1,2

+3,8

-1,4

-2,7

+1,3

1_Revidierte Werte.; Quelle: Euroconstruct / ifo Institut (Prognose Stand Juni 2024).

Legende

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