Verhaltener Ausblick für die Weltwirtschaft, nur moderates Wachstum erwartet

Die Risiken aus dem Ukrainekrieg sowie bezogen auf weitere potenzielle geopolitische Konflikte sorgen unverändert für konjunkturelle Unsicherheiten. Impulse seitens der Fiskalpolitik, die während der Corona-Pandemie die Wirtschaft massiv gestützt hatten, fehlen derzeit. Im Vergleich zur damaligen Situation haben die Notenbanken nunmehr eine geldpolitische Straffung zur Eindämmung der Inflation vorgenommen, wodurch die Finanzierungskosten für die Unternehmen deutlich gestiegen sind. Dadurch sanken die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft ebenso wie die Ausgabenbereitschaft der Konsumenten. Stützend wirken sich die hohen Auftragsbestände auf die Industriekonjunktur aus. Der Auftragsüberhang kann dank der Verbesserung in den Lieferketten nunmehr abgearbeitet werden. Das rückläufige Bestellniveau wird sich jedoch nach Ansicht des Kieler IfW künftig stärker auf die Produktion durchschlagen. Demzufolge lässt sich zur Jahresmitte 2023 ein verhaltener Konjunkturausblick bei gleichzeitig hohen Risiken konstatieren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognose im Juli nur geringfügig angepasst. Demnach soll die Weltwirtschaft im Jahr 2023 mit +3,0 % nur moderat zulegen (vorherige Prognose: +2,8 %). Dabei dürften die Schwellen- und Entwicklungsländer in Summe um 4,0 % wachsen, die Industrieländer lediglich um 1,5 %, darunter unter anderem die USA mit +1,8 %. In Großbritannien (+0,4 %) und dem Euroraum (+0,9 %) wird laut dem IWF für das Jahr 2023 ein nur leichtes Wachstum prognostiziert.

 

Deutsche Wirtschaft mit viel Gegenwind aufgrund von hoher Inflation und gestiegenen Zinsen

Nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank erholt sich die Wirtschaft im Jahr 2023 nur mühsam von den Krisen der letzten drei Jahre. Einer der Hauptgründe dafür ist das hohe Inflationsniveau, das im Jahr 2023 mit 6,0 % deutlich über dem Notenbankziel von rund 2 % liegt. Als Reaktion darauf werden neben dem privaten Konsum auch die Staatsausgaben im Gesamtjahr 2023 spürbar abnehmen. Dementgegen dürften jedoch die Anlageinvestitionen trotz höherer Zinsen zulegen, da die zuvor durch die Lieferengpässe aufgestauten Investitionsvorhaben derzeit umgesetzt werden können. Zudem lösen der Übergang hin zu klimafreundlicheren Produktionsweisen sowie die Energie- und Mobilitätswende mittlerweile eine Investitionsnachfrage aus, die zyklus- und zinsunabhängig zu beobachten ist. Im Vergleich dazu wird der Einbruch im Bau, vor allem im Wohnungsbau, die Konjunktur im Jahr 2023 deutlich belasten. Die Bundesbank prognostiziert vor diesem Hintergrund, dass die deutsche Wirtschaft 2023 um 0,5 % schrumpfen wird. Das ifo Institut erwartet in seiner Sommerprognose für das Jahr 2023 ein Minus von 0,4 %. Auch der IWF rechnet damit, dass Deutschlands Wirtschaftskraft 2023 zurückfällt (-0,3 %) und sich 2024 mit +1,3 % nur geringfügig verbessern wird.

       

Prognosen für das BIP-Wachstum (real)

T013

2022 2

2023e

2024e

+3,4

+3,0

+3,0

+2,1

+1,8

+1,0

+3,0 4

+5,2

+4,5

+3,5 5

+0,9

+1,5

+1,8

-0,3

+1,3

 

Maschinen- und Anlagenbau: negative Vorzeichen für 2023

Die Branche profitiert zurzeit noch von einem hohen Auftragsbestand. Allerdings erhöht sich zunehmend der Druck durch die globale Konjunkturschwäche, die stark gestiegenen Zinsen, die unsicheren Perspektiven für die Energiekosten und -versorgungslage und die geopolitischen Risiken. So wird in den Auftragsbüchern des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus 2023 sehr deutlich, dass die Nachfrage einbricht. In den ersten fünf Monaten betrug das Minus real 14 %. Für die kommenden Quartale können weitere Zinsanstiege nicht ausgeschlossen werden. Die Kombination aus stark gestiegenen Produktionskosten und gleichzeitig steigendem Zinsniveau dürfte die Investitionsneigung auf mittlere Sicht weiter belasten. Vor diesem Hintergrund erwartet der Branchenverband VDMA, dass die Maschinenbauproduktion in Deutschland 2023 um real 2 % schrumpfen wird.

       

Weltweite Entwicklung der Industrieproduktion/Entwicklung Maschinenbau Deutschland

in %

T014

 

2022 1

Q1 2023

Q2 2023

     

+3,1

+0,5

5M: +0,8

+3,4

-0,2

+0,7

+3,6

+3,0

+3,8

+2,3

+0,5

Apr.: +0,2

Mai: -2,2

     

+3,3

+6,7

+4,6

+0,8

+3,2

Apr.: +3,7

Mai: +1,6

-4,0

-13,0

5M: -14,0

 

Automobilbau bleibt auf Erholungskurs – Elektroantriebe erreichen fast ein Drittel des LV-Volumens

GlobalData erwartet, dass die Entwicklung der Automobilindustrie trotz der besseren Verfügbarkeit von Komponenten auch weiterhin von Engpässen belastet bleibt und so die Nachfrage nicht vollständig bedient werden kann. Gleichwohl ist laut den Experten mit einer robusten Erholung im Weltautomobilmarkt zu rechnen. Konkret soll die globale Produktion 2023 um 6,0 % auf 87,2 Mio. LV (Light Vehicles) anwachsen. Das Vorkrisenniveau soll jedoch erst 2024 wieder erreicht werden. So rechnet GlobalData für das Jahr 2024 mit einer Produktion von 89,6 Mio. LV (2019: 88,8 Mio.). Im Jahr 2023 weisen die Regionen Europa und Nordamerika, wo die LV-Fertigung jeweils um rund 10 % zulegen soll, die höchsten Zuwachsraten auf. Beim Blick auf die einzelnen Antriebsarten wird deutlich, dass die Produktion von traditionellen LV mit reinem Verbrennungsmotor 2023 um 5,0 % abnehmen soll. Im Gegenzug wird erwartet, dass die Anzahl der batterieelektrischen LV (reine BEV und hybride PHEV) um 36,8 % steigt, sodass ihr Anteil an der LV-Produktion deutlich auf 31,9 % zunimmt (2022: 24,0 %). Der Markt für kommerzielle Nutzfahrzeuge (NFZ) dürfte 2023 ebenfalls wachsen. So soll die NFZ-Produktion laut GlobalData um 7,3 % zulegen, wobei für Europa und Asien zweistellige Raten erwartet werden. Dagegen stagniert die Produktion in Nordamerika 2023 konjunktur- und zinsbedingt. Für 2024 wird für die Region sogar ein Rückgang angenommen.

       

Automobilindustrie: globale Produktions- und Absatzentwicklung

in %

T015

 

20221

2023e

2024e

+7,0

+6,0

+2,7

-0,7

-5,0

-4,2

+43,2

+29,6

+13,8

+70,1

+39,2

+30,8

-0,6

+6,4

+4,8

-13,6

+7,3

+4,5

-19,3

+10,6

+4,5

 

Bauindustrie in China und Europa 2023 in der Rezession

Chinas Baukonjunktur weist weiterhin eine schwache Entwicklung auf. Die Daten des Statistikamt NBS signalisieren sowohl im dominierenden Segment Wohnungsbau als auch bei Büro- und Wirtschaftsgebäuden eine weitere deutliche Abkühlung, wenngleich der reale Umfang aller aktuell im Bau befindlichen Gebäudeinvestitionen nur moderat sinkt. Dies wird zusätzlich durch das hohe Volumen der Fertigstellungen überzeichnet. Dagegen sind die Neubaubeginne im 1. Halbjahr 2023 um fast ein Viertel eingebrochen (-24,3 %), sodass sich daraus für die kommenden Monate eine schwache Bautätigkeit ableiten lässt. Auch der Ausblick für die europäische Bauwirtschaft hat sich infolge der höheren Zins- und Baukosten weiter eingetrübt. Das Netzwerk Euroconstruct (u. a. ifo) hat im Juni die Prognose leicht gesenkt. Statt einer Stagnation im Jahr 2023 wird nunmehr erwartet, dass die Bauleistung real um 1,1 % sinkt (West -1,0 %, Ost -1,7 %). Dabei sollen Spanien, Portugal und mit Abstrichen auch Frankreich leichtes Wachstum generieren. Im Vergleich dazu zeichnet sich für Teile Skandinaviens und Osteuropas, die Niederlande, Österreich, Italien, Großbritannien und die Schweiz eine rückläufige Bauproduktion ab. Für Deutschland wird eine mehrjährige Schwächephase prognostiziert, wobei allein für 2023 ein Minus von

2,2 % vorhergesagt wird. Die Gründe liegen mitunter darin, dass aufgrund fehlender Rentabilität viele Neubauprojekte verschoben oder ganz storniert werden und somit das Neugeschäft nahezu einbricht. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) erwartet daher für 2023, dass der Umsatz real um 6 % schrumpft (2022: -5,8 %).

 

US-Bauwirtschaft: Eintrübungen durch wirtschaftliche Unsicherheiten und hohe Zinsen – Wasserwirtschaft bleibt getragen von Infrastrukturmaßnahmen ein Wachstumsmarkt

Die positive Entwicklung der US-Bauindustrie aus dem Vorjahr wird nunmehr von den steigenden Zinsen belastet. Die Hypothekenzinsen liegen nach mehreren Fed-Leitzinserhöhungen in den letzten 12 Monaten per Juli 2023 bei 7 %. Aus diesem Grund schätzen die Experten von FMI, dass die Branche infolge der größeren Herausforderungen einen weitaus schwächeren Anstieg der Bauausgaben von ca. 3 % generieren wird (2022: +11 %). Auch geht FMI davon aus, dass der Bau von Einfamilienhäusern sehr deutliche Abschläge von 16 % im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen muss. Demgegenüber wird für den Wirtschaftsbau und den Hochbau eine gute Entwicklung für das Jahr 2023 prognostiziert. Der Ausblick für das Jahr 2024 bleibt angesichts der gestiegenen Zinsen negativ (-15 %). Dies sollte sich auch bei den Investitionen in Mehrfamilienhäuser, Büro- und Wirtschaftsgebäude bemerkbar machen, die nach aktuellen Schätzungen ins Minus drehen dürften.

Der Bereich Wasserversorgung ist mit einem prognostizierten Plus von 10 % im Jahr 2023 weiterhin einer der  Wachstumsbereiche. Stützend wirken dabei die massiven Investitionen in die Infrastruktur, die auch in den nächsten Jahren anhalten sollen. Im kommerziellen Segment wird 2023 ebenso mit einem deutlichen Zuwachs gerechnet (+11 %), während es 2024 schrumpfen soll (-8 %).

       

Bauindustrie: Entwicklung der europäischen Bauproduktion

in %

T016

 

20221

2023e

2024e

+3,0

-1,0

-0,8

+3,8

-1,7

+1,3

+3,0

-1,1

-0,7